Interview
Karen Walkenhorst, Mitglied des Vorstands der TK, hat auf dem Kongress für digitale Transformation – „solutions x DILK“ einen Vortrag mit dem Titel: „Führungskräfte – braucht’s uns noch?“ gehalten. Da sie unter anderem für die Entwicklung einer neuen Führungskultur innerhalb der TK zuständig ist, ist der Titel vielversprechend! Wir haben sie deshalb zu einem Interview gebeten.
Der Titel ihres Vortrags ist eine sehr gewagt formulierte Frage. Wie sind die darauf gekommen?
Ein zentrales Thema meines Vortrages auf dem IT-Leiter-Kongress ist die agile Arbeitswelt und die dafür notwendige Geisteshaltung. Wir dürfen alle davon ausgehen, dass in der IT das agile Arbeiten schon lange angekommen und umgesetzt ist. Aber das agile Arbeiten benötigt außerdem eine Haltung, die diese Arbeitsweise erst richtig ermöglicht. Selbstgesteuerte Teams und das Vertrauen in die Arbeit eines jeden Einzelnen, das Auflösen alter Hierarchien und Machtstrukturen, all das benötigt einen Wertewandel. Ein Vortrag auf der DILK zu halten unter dem Titel „Es braucht ein Wertewandel“ hätte mich womöglich vor einem leeren Auditorium zurückgelassen. Werte und Haltung sind als Vortragstitel einfach zu abstrakt. Die augenzwinkernde Frage nach der Daseinsberechtigung an IT-Führungskräfte, die ja im Zuge der Digitalisierung immer wichtiger und zentraler werden, fand ich hingegen reizvoll. Zumal ich die Frage „braucht es noch Führungskräfte“ sehr häufig gestellt bekomme, sobald die Sprache auf selbstgesteuerte Teams kommt.
Und…? Braucht es Führungskräfte noch? Wenn ja, was verändert sich?
Selbstverständlich braucht es Führungskräfte noch! Aber sie werden nicht mehr benötigt, um Projektplanungen zu machen oder Arbeitspakte im Team zu verteilen und abzunehmen. Mikromanagement, Anweisung und Kontrolle passen nicht mehr in die digitalisierte Welt, dazu ist sie zu schnelllebig und volatil geworden. Führung im agilen Kontext bedeutet, Rahmenbedingungen für optimales Arbeiten zu schaffen und gute Problemlösungsabläufe in Unternehmen zu verankern. Ich erwarte von Führungskräften, das sie abteilungs-und teamübergreifend denken und arbeiten, dass sie ohne Angst vor Fehlern selbstorganisiert Neues ausprobieren und klare Strategien für das Team formulieren und vorleben. Viel mehr noch als früher müssen Führungskräfte gute Kommunikation beherrschen und ihren Teams aufmerksam zuhören.
Sie fragen auch nach der Veränderung, die mit der neuen Führung einhergeht: Agile Führung und Selbstorganisation ist mit einer Verantwortungsverschiebung verbunden. Es bedarf gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, Verantwortung abzugeben aber auch anzunehmen. Beide Aspekte widersprechen ja tendenziell dem, was früher in Organisationen gelernt und gelebt wurde. Der Umgang mit Verantwortung sowohl für die Führungskräfte als auch für die Mitarbeitenden muss sich ändern: Die Führungskräfte müssen lernen, Verantwortung abzugeben und sich darauf zu verlassen, dass ihr Team die Aufgaben erfüllen werden. Und die Mitarbeitenden müssen eventuell wieder lernen, auch in der Arbeitswelt Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und bereit sein, selbst Entscheidungen zu treffen. Um diese Veränderung in der Zusammenarbeit zu erreichen, bedarf es viel Vertrauen und darauf basierend einer guten Kommunikationskultur mit intensiven, ehrlichen Gesprächen, mit kritischem Diskurs und wertschätzendem Feedback. Nicht zuletzt dafür, diesen Rahmen zu geben, benötigen wir Führungskräfte!
Was wäre Ihr Idealbild der zukünftigen Arbeitswelt?
Das hervorstechendste Merkmal der zukünftigen Arbeitswelt ist ja, dass wir noch nicht wissen, wie sie aussehen wird. Aber Sie fragen mich ja auch nicht nach einer Prognose, sondern nach meinem persönlichen Idealbild. Und auch da ziele ich wieder auf Werte und Haltung ab: Eigenverantwortung und Selbststeuerung, Offenheit und gute Kommunikation, vertrauensvolle Zusammenarbeit und Transparenz, Veränderung gestalten. Wenn diese Werte gelebt werden, sind wir nach meinem Empfinden sehr nahe an dem Idealbild der Arbeitswelt. Dabei sind die Werte und diese „Neue Haltung“ keineswegs neu.
Das Ideal des Lernunternehmens, in dem Offenheit und Lernen das eigentlich Verbindende und Orientierende ist, stammt aus den 70’er Jahren des letzten Jahrhunderts. Und auch die Prinzipien der neuen Führung, wie z.B. offene Kommunikation, Entwicklung und Verantwortung sind nicht neu. Beiden liegt ein positives Menschenbild zu Grunde, welches Beziehungen im gegenseitigen Vertrauen beinhaltet und gelebte Verantwortung einbezieht. Die Werte und „neue Haltung“ muss nur endlich gelebt werden! Ich bin zudem fest davon überzeugt: wenn Menschen in ihrer täglichen Arbeit lernen, Verantwortung zu übernehmen, dann werden Sie es auch darüber hinaus, also in anderen Bereichen der Gesellschaft tun.
Haben Sie Beispiele für neue Wege der digitalen Zusammenarbeit in der TK?
Was für eine schöne Frage! Ich bin davon überzeugt, dass in wenigen Jahren die Frage lauten wird „gibt es in der TK noch Formen der rein analogen Zusammenarbeit“? Derzeit wird in der TK bundesweit das FlexOffice ausgerollt – und damit die Möglichkeit zum ortsflexiblem Arbeiten gegeben. Unter Corona haben viele Kolleginnen und Kollegen bereits begonnen, teilweise sogar zu 100%, aus dem Home Office zu arbeiten. Die Zusammenarbeit im Team findet damit automatisch über Videokonferenzen statt, unterstützt von Collaboration Tools. Unsere Prozesse sind großteils digitalisiert: von der Zeiterfassung im Onlinetool, über die Zusteuerung und Sachbearbeitung in TKeasy, dem gemeinsamen Arbeiten auf geteilten Dokumenten, Projektplanung über digitale Project-Boards… Die ersten Strukturen für teilvirtuelle Teams werden derzeit gelegt, in denen einzelne Teammitglieder auf Dauer und unbefristet von jeweils anderen Orten aus arbeiten. Ich gehe also soweit zu sagen, dass die digitale Zusammenarbeit in der TK heute schon das neue Normale ist.
Was müssen Teams beachten, die Vorreiter im „New Normal“ sein wollen?
Da gibt es von meiner Seite eine ganz eindeutige Antwort:
Wir alle erleben derzeit eine rasante zunehmende Veränderungsdynamik in unserer Lebenswelt. Unsere digitale Gesellschaft wird immer schnelllebiger und unübersichtlicher. Und natürlich wird dadurch auch unsere Arbeitswelt immer komplexer. Da gilt es im Großen wie im Kleinen: komplexe Probleme können nicht von Einzelnen – seien es Länder, Unternehmen, oder Menschen – gelöst werden. Es benötigt den Austausch, die Vernetzung und die Zusammenarbeit. Durch Diversität und den freien Austausch von Wissen können neue Perspektiven und Ideen entwickelt werden. Auch hier kommt übrigens wieder das Thema Lernen zum Tragen. Denn für Vernetzung und freien Austausch müssen wir es auch lernen zu ertragen, nicht alles zu wissen und kontrollieren zu können.
Ich freue mich übrigens sehr darüber, dass in der TK bereits die meisten Teams dieses New Normal engagiert aufgreifen. Und bin auch etwas stolz darauf, wie sehr die TK da – im Vergleich zu anderen Organisationen – bereits Vorreiter ist.