Warum arbeiten so wenige Frauen in der IT? Ein Interview mit Katharina Ellermann, Teamleiterin in der Anwendungsentwicklung bei der TK.
Wir wollen über Frauen in der IT sprechen – spielt diese Verknüpfung für dich überhaupt eine Rolle?
Ja, allein schon, weil noch immer weniger Frauen als Männer in der IT arbeiten. In den Unternehmen, in denen ich bisher gearbeitet habe, war der Frauenanteil in der IT nicht besonders hoch.
Das passt zu den Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union: In der IT-Branche in Deutschland sind nur 17,5 Prozent der Beschäftigten Frauen. Wie ist das Geschlechterverhältnis in deinem Team?
Wir sind 33 Personen, davon sieben Frauen, also etwas mehr als 20 Prozent. Die Teamleitung ist allerdings paritätisch besetzt, ein Kollege und ich bilden seit einem guten Jahr ein gleichberechtigtes Führungstandem.
War es Absicht, dass eine Frau und ein Mann das Team leiten?
Nein, den expliziten Wunsch gab es nicht, wenn bei der TK auch sehr auf Gleichstellung geachtet wird. Mein jetziger Tandempartner war mein Teamleiter und ich seine Stellvertreterin. Jetzt leiten wir das Team gemeinsam. Wir haben immer gut zusammengearbeitet und haben ähnliche Wertvorstellungen. Als die Anzahl der neuen Themen und Mitarbeitenden zu groß wurde für eine Leitungsperson allein, kam die Idee einer Doppelspitze auf. Ich wollte mehr für das Team erreichen können, also habe ich mich auf die Stelle beworben und sie bekommen.
Wofür sind du und deine Mitarbeitenden in der IT zuständig?
Wir entwickeln und betreuen TKeasy, das Anwendungssystem der Techniker Krankenkasse, das alle Prozesse des Kerngeschäfts abdeckt. Innerhalb des Systems ist unser Team speziell für den Bereich Leistungen verantwortlich, beispielsweise bei den Themen Arbeitsunfähigkeit, Kinderkrankengeld oder Zahnersatz. Je nach fachlichen Anforderungen und der Gesetzeslage programmieren und warten wir die Anwendungen und begleiten die Tests neuer Features. Wir finden Lösungen für die Bedürfnisse von Menschen und genau das mag ich an der Informatik so gerne.
Hattest du schon früh ein Faible für Informatik?
Ich hatte Informatik zwar als Schulfach, aber damals war mein Interesse für das Fach noch nicht so groß. Zudem haben wir damals wenig programmiert. Allerdings habe ich mich schon immer für Technik, Naturwissenschaften und vor allem Mathematik begeistert, darum habe ich nach dem Abitur in Hamburg 2010 ein duales Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Nordakademie in Elmshorn begonnen.
Wo hast du den Praxisteil des Studiums absolviert?
Bei einer U-Boot-Werft in Kiel. Vom technologischen Aspekt her fand ich das sehr spannend, aber von meinem ursprünglichen Berufsziel Ingenieurin bin ich bald abgerückt. Ich konnte mir nicht vorstellen, mein Leben lang als Konstrukteurin zu arbeiten. Es war ein glücklicher Zufall, dass ich dann wieder in der IT gelandet bin. Die Arbeit dort hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich das Ingenieursstudium 2013 abgebrochen habe und 2014 mit einem Studium der Wirtschaftsinformatik begonnen habe.
Warum ist deiner Meinung nach der Frauenanteil in der IT so gering?
Ich glaube, wir scheitern schon früh daran, zum einen Begeisterung für Informatik zu wecken und zum anderen, für Chancengleichheit zu sorgen. Mir hätte es geholfen, schon in der Schule mehr Berührung mit Informatik und Programmieren zu haben. Ich war eines der wenigen Mädchen in der Schule, die sich getraut haben, den Informatikkurs zu wählen. Weibliche Vorbilder in der IT sind noch immer rar gesät. Wir müssen Mädchen mehr Selbstvertrauen geben, in diese Richtung zu gehen, sie gezielt ansprechen und Begeisterung für IT-Themen wecken. Die PISA-Studie zeigt, dass Mädchen in einigen Ländern beim mathematischen Verständnis sogar besser abschneiden als Jungen. Dennoch finden sich viele Mädchen in den MINT-Fächern nicht richtig wieder – da verschenkt die Gesellschaft ein riesiges Potenzial.
Der IT-Bereich ist immer noch sehr männlich geprägt. Warst du schon einmal mit negativen Vorurteilen konfrontiert?
Diese Erfahrung habe ich in meinem Berufsleben als Softwareentwicklerin zum Glück nie gemacht. Dort spielte es keine Rolle, dass ich eine Frau bin. Ich bin mir aber bewusst, dass ich mich damit in einer privilegierten Situation befinde. Aus meinem Studium der Ingenieurswissenschaften kenne ich das Gefühl, als Frau besser sein zu müssen als Männer und mich beweisen zu müssen, um ernst genommen zu werden.
Was hat dich von der TK überzeugt?
Ich wollte etwas Sinnstiftendes tun. Ich fand die Themen einer Krankenkasse spannend und mich hat überzeugt, dass die TK als einer der wenigen Arbeitgeber in der IT fast vollständig auf Eigenentwicklungen setzt. So ein breites Spektrum an Anwendungsgebieten, in denen man als Entwicklerin arbeiten kann, gibt es selten. Zudem bin ich seit der Geburt TK-Mitglied, die Krankenkasse war immer mein Gesundheitspartner, und die digitalen Angebote haben mich überzeugt – ich wollte gern meinen Teil dazu beitragen.
Nun sitzt du als Führungskraft selbst Bewerbenden gegenüber – spielt das Geschlecht dieser dabei eine Rolle für dich?
Grundsätzlich streben wir einen höheren Prozentsatz an Frauen an, aber in erster Linie zählt, ob die Bewerbenden fachlich geeignet sind und ins Team passen.
Hochqualifizierte IT-Kräfte sind rar – wie schafft ihr es, dass sie bei der TK anheuern?
Wir haben den Vorteil, dass die TK einen hohen Bekanntheitsgrad hat und Bewerberinnen und Bewerber unsere digitalen Services oft bereits kennen. Was uns von anderen abhebt ist, dass unsere gesamte IT inhouse abläuft, von der Infrastruktur über die Softwareentwicklung bis hin zum Web- und App-Bereich.
Hinweis der Redaktion:
Dieser Artikel ist in der Beilage „Arbeitswelt der Zukunft“ des Inpact Media Verlag erschienen und liegt der aktuellen ZEIT bei.