Am 3. Dezember war der Tag der Menschen mit Behinderungen. Auch wenn das Thema das ganze Jahr über Relevanz hat, wollen wir den Tag als Anlass sehen, uns dem Thema Inklusion zu widmen. Wie sieht Inklusion aus und wie kann ein arbeitgebendes Unternehmen eine inklusive Arbeitsumgebung schaffen? Wir haben mit zwei Kolleg:innen der TK gesprochen, die offen mit ihren Behinderung umgehen.
Im Gespräch mit Susann Klebig-Noesch - Recruiting Strategy Lead im Team Recruiting Management
Wie hat sich deine Behinderung auf deinen beruflichen Werdegang ausgewirkt?
Meine Behinderung hat mich stärker gemacht. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, für meine Ziele einzustehen und Herausforderungen kreativ zu meistern. Natürlich gab und gibt es bis heute Hürden – Vorurteile, fehlende Barrierefreiheit oder unterschwellige Zweifel an meiner Leistungsfähigkeit. Aber genau diese Erfahrungen haben meinen beruflichen Werdegang geprägt und mir die Entschlossenheit gegeben, mich durchzusetzen und die Perspektive für andere zu erweitern. Ich sehe es heute als meine Stärke, diese Herausforderungen zu nutzen, um andere Menschen für Vielfalt und Inklusion zu sensibilisieren.
Welche persönlichen Stärken und Fähigkeiten haben sich durch deine Erfahrungen mit deiner Behinderung entwickelt, die dir in deiner Rolle bei der TK helfen?
Ich habe gelernt, bei Problemen ruhig zu bleiben und lösungsorientiert zu handeln. Schwierigkeiten gehören für mich zum Alltag, und anstatt in Panik zu verfallen, analysiere ich die Situation und überlege, wie ich sie am besten bewältigen kann. Dieses Denken im “Lösungsmodus” hilft mir nicht nur, Herausforderungen zu meistern, sondern auch andere in schwierigen Situationen zu unterstützen. Es hat mich zu jemandem gemacht, der pragmatisch, strukturiert und gleichzeitig empathisch agiert – Eigenschaften, die mir bei der TK helfen, Projekte voranzutreiben und als verlässlicher Ansprechpartner wahrgenommen zu werden.
Wie erlebst du die Unternehmenskultur der TK in Bezug auf Inklusion und Vielfalt? Gibt es spezielle Initiativen oder Programme, die du besonders schätzt?
Die TK lebt eine Kultur der Offenheit und Wertschätzung. Es gibt eine wachsende Sensibilität für die Bedeutung von Vielfalt und eine klare Bereitschaft, Barrieren abzubauen – sowohl im Kopf als auch in der Arbeitsumgebung. Besonders schätze ich die vielen TK-Communties und Initiativen, die Mitarbeitenden eine Stimme geben und den Austausch fördern.
Wie sieht dein perfektes inklusives Arbeitsumfeld aus?
Ein perfektes inklusives Arbeitsumfeld ist eines, in dem die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden von Anfang an mitgedacht werden. Es geht um Barrierefreiheit, ja – aber es geht auch um Haltung: ein Klima, in dem Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern gefeiert wird. Dazu gehört, dass technische Hilfsmittel selbstverständlich bereitgestellt werden und die Rücksichtnahme auf individuelle Anforderungen Teil des Arbeitsalltags ist. Gegenseitiges Verständnis und ein offenes Ohr für Feedback machen den Unterschied.
Wie können Unternehmen dabei helfen, Barrieren abzubauen?
Unternehmen können viel erreichen, wenn sie “Inclusive Leadership” aktiv leben. Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle, indem sie ein Umfeld schaffen, in dem alle Mitarbeitenden ihre Potenziale entfalten können. Das bedeutet, Vielfalt nicht nur zu akzeptieren, sondern aktiv einzubinden – durch offene Kommunikation, gezielte Förderung und das bewusste Einholen unterschiedlicher Perspektiven. Unternehmen sollten zudem Barrierefreiheit als Standard etablieren und die Betroffenen selbst in die Gestaltung einbeziehen. Mit Schulungen und klaren Leitlinien können Führungskräfte lernen, wie sie Hindernisse erkennen, abbauen und echte Inklusion vorleben.
Inclusive Leadership bedeutet, jeden Einzelnen zu befähigen und Vielfalt als Stärke zu begreifen – und genau das bringt Unternehmen nach vorne.
Susann Klebig-Noesch
Welche Botschaft möchtest du anderen Menschen mit Behinderung mit auf den Weg geben?
Glaube an deine Stärken und lass dich von Zweifeln – ob deinen eigenen oder denen anderer – nicht aufhalten. Deine Perspektive ist wertvoll, und du hast jedes Recht, sie einzubringen. Verstecke dich nicht und scheue dich nicht davor, Grenzen zu hinterfragen. Denn echte Veränderungen beginnen dort, wo Menschen bereit sind, ihre Stimme zu erheben. Lass uns gemeinsam Barrieren abbauen – Schritt für Schritt. Inklusion ist kein Ziel sondern eine Haltung, die uns alle bereichert.
Im Gespräch mit Julian Leenders - Prozessmanger im Team Steuerung, Optimierung & Controlling
Wie hat sich deine Behinderung auf deinen beruflichen Werdegang ausgewirkt?
Meine Behinderung hat mir sehr früh gezeigt, dass ich auf meine Stärken vertrauen muss. Mir war sehr schnell klar, dass meine Zukunft nicht im Handwerk lag, auch wenn Ikea mich noch nicht bezwingen konnte. Ich sah mich auch nie in der Chirurgie, auch wenn ich dort im Kindesalter regelmäßig Gast war. Es sollte also etwas werden, wo ich meinen Grips einschalten und zugleich Menschen helfen konnte. Kommunikation sollte nicht zu kurz kommen. Kurz: ich wollte meine Stärken ausspielen. Mir war jedoch auch eine gewisse Sicherheit wichtig. Ein Job und ein Unternehmen, welches ich nicht übermorgen wechseln muss, ein Stück weniger Sorgen zu den bereits vorhandenen Herausforderungen.
Mit welchen Herausforderungen hast du dich auf deinem Weg konfrontiert gesehen?
Meine größte Herausforderung war die, wie ich als Mensch von anderen wahrgenommen werde. Eine Behinderung wird oft fälschlicherweise als Schwäche abgetan und erzeugt somit ein Bild der Hilflosigkeit und des Mitleids – vor allem, wenn diese sichtbar ist, ist man diesem Vorurteil sehr schnell ausgeliefert. Mein Gegenüber macht sich sehr schnell ein Bild über mich, was von Ekel, über Trauer bis hin zur Hilfslosigkeit im Umgang mit meiner Behinderung reichen kann. In solchen Situationen fällt es sehr schwer den Fokus auf mich als Menschen und meine Stärken zu lenken.
Die Behinderung ist Teil von mir, aber definiert mich nicht als Mensch.
Julian Leenders
Welche persönlichen Stärken und Fähigkeiten haben sich durch deine Erfahrungen mit deiner Behinderung entwickelt, die dir in deiner Rolle bei der TK helfen?
Wo fang ich an und wo höre ich auf? Meine Behinderung hat mir beigebracht mich in Resilienz zu üben, denn ein Leben mit einer Behinderung ist wie eine Achterbahnfahrt. Es hat wahnsinnige Höhen und Tiefen, zwischendurch wird einem übel und trotzdem hat man Spaß. Oft erleidet man Rückschläge oder es klappen die für andere einfachsten Dinge nicht, wenn man aber mit 11 Jahren das erste mal alleine eine Schleife an seinem Sneaker binden kann, ist das ein riesiger Erfolg. Und all das nur, weil man sich hat nie aus der Ruhe bringen Lassen. Dies lässt sich sehr gut auf das Arbeitsleben projizieren. In einer so schnelllebigen Zeit wie heute, wo wir uns fast durchgängig im Change befinden, ist Resilienz der Schlüssel zum Erfolg.
Ein weiterer Punkt, den meine Behinderung geprägt hat, ist mein Kommunikationsstil und mein Auftreten. Ich bin ein sehr selbstbewusster, offener Mensch mit einer Prise Selbsthumor und definitiv nicht auf den Mund gefallen. Seit Kindesalter begleiten mich Blicke, Fragen und Kommentare sämtlicher Art. Menschen sind neugierig, weshalb es normal ist, dass sie reagieren, wenn sie etwas Ungewöhnliches sehen. Jedoch neigen sie auch dazu Grenzen zu überschreiten und übergriffig zu werden. Spätestens wenn man auf offener Straße schreit, weil man meine Behinderung erblickt, ist eine oder eher eine Millionen Grenzen überschritten. Solche Erfahrungen prägen einen, weshalb es wichtig ist, Menschen deutlich zu machen, dass sie Grenzen überschreiten. Ich habe früh gelernt im Rahmen meiner Kommunikation für Klarheit zu sorgen. Aufzuklären. Aber auch proaktiv auf Menschen zuzugehen, ist wichtig. So habe ich mir bereits im Kindesalter ein selbstbewusstes Auftreten angeeignet. Früher wollte ich anderen immer die Stirn bieten, mich nicht auf meine Behinderung reduzieren lassen. Heute möchte ich aufklären, Grenzen aufzeigen und auch Ängste vor dem Umgang mit Menschen mit Behinderungen nehmen.
Wie erlebst du die Unternehmenskultur der TK in Bezug auf Inklusion und Vielfalt?
Die TK ist auf einem sehr guten Weg im Umgang mit Inklusion und Vielfalt und das nicht erst seit gestern. Ich erinnere mich gern an den ersten Tag meiner Ausbildung vor 11 Jahren (01.08.2013) zurück. Meine damaligen Ausbilder:innen sind mit mir in einen offenen Dialog gegangen und haben mir die Angebote und Möglichkeiten der TK gezeigt. Sie haben mich entscheiden lassen, was ich brauche und mich lediglich in der Umsetzung unterstützt. Es hat nie eine Bevormundung stattgefunden oder eine „wir-wissen-es-besser“-Situation. Diesen Umgang erlebe ich seit 11 Jahren in der TK und trotzdem hat die TK den Anspruch sich und ihre Mitarbeitenden in diesen Themen weiterzuentwickeln. Doch zu dieser Lobeshymne gehört auch ein wenig bittere Realität, Einzelfälle von Diskriminierung, die ich auch erleben durfte. Diese waren lediglich Versagen einzelner Menschen und nicht des Unternehmens. Ich hatte jederzeit die Möglichkeit mich an Vertrauenspersonen, Schwerbehindertenvertretung oder Gleichstellungsbeauftragte zu wenden.
Wie sieht dein perfektes inklusives Arbeitsumfeld aus?
Für mein perfektes inklusives Arbeitsumfeld ist Gleichberechtigung und Chancengleichheit unter alle Mitarbeitenden essentiell. Das Unternehmen sollte aktiv Vielfalt fördern und Plattformen für Interessengemeinschaften bieten. Die Förderung von Vielfalt sollte ein strategischer Grundstein eines Unternehmens sein und sich sowohl im Führungsbild als auch im Einstellungsverfahren wiederfinden. Das Unternehmen muss in den Dialog mit den Betroffenen gehen und gemeinsam Dinge bewegen – damit meine ich: aus Betroffenen Beteiligte machen.
Wie können Unternehmen dabei helfen, Barrieren abzubauen?
Der Schlüssel heißt Kommunikation. Ich wünsche mir als Betroffener, dass nicht andere über meine Bedürfnisse entscheiden. Es ist wichtig in den Dialog zu treten und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Damit einhergehend ist Aufklärung elementar wichtig, um Barrieren niederzureißen. Lasst uns gemeinsam erklären, was es bedeutete behindert zu sein, wo es Unterschiede gibt und wann Grenzen überschritten werden. Ein Unternehmen benötigt klare Richtlinien und sollte sich offen für Vielfalt positionieren – nur so wird ein geschützter Raum für ein vielfältiges Miteinander erzeugt.
Welche Botschaft möchtest du anderen Menschen mit Behinderung mit auf den Weg geben?
Gestalte dein Leben wie du es willst und glaub dabei an deine Stärken, denn deine Behinderung definiert dich nicht.